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Ein paar kritische Anmerkungen zum Aufsatz „Was bleibt von der Einzigartigkeit des Menschen?“ von Sonja Thill:

Die Absicht dieses Artikels ist es, die These von der Einzigartigkeit des Menschen in Frage zu stellen und auch unseren Umgang mit den Tieren (Tierschutz und artgerechte Tierhaltung!) ebenfalls selbstkritisch zu bedenken. Die Verfasserin gibt dazu „einen Einblick in die bisherigen Erkenntnisse über die Fähigkeiten der Tiere und die Bereiche unseres Lebens (...), die mit dem Wohl der Tiere regelmäßig kollidieren“.

Zum Stand der Forschung bezüglich der Unterschiede von Mensch und Tier bezieht sich die Verfasserin vor allem auf die Nutzung und Herstellung von Werkzeugen, die Sprache, mentale Fähigkeiten, Bewusstsein, Empathie und Moral. Zu all diesen Bereichen stellt sie einzelne auf Experimenten mit Tieren basierende Forschungsergebnisse dar, die in summa belegen sollen, dass diese zu Leistungen fähig sind, die sich von denen der Menschen nur graduell, aber nicht qualitativ unterscheiden. Leider finden sich in dem Artikel keine genaueren Erläuterungen der dokumentierten Forschungsergebnisse, weshalb auch nicht alle überzeugen können. Ich nenne hier nur mal zwei Beispiele aus dem Bereich der Sprache: So soll ein Gorillaweibchen mit seiner Ausbilderin über den Tod diskutiert haben, was ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann; oder Kohlmeisen sollen fähig sein, „einen Satzbau mit grammatikalischen Regeln zu verwenden“. Auch hier hätte ich gern eine genauere Erläuterung, wie ich mir das vorstellen muss.

Wenn ich von Beispielen dieser Art lese, habe ich den Eindruck, dass die Verfasserin unter dem Zwang argumentiert, unbedingt beweisen zu müssen, dass der Mensch zu Unrecht die These von dessen Einzigartigkeit zum Schaden der Tiere aufrechtzuerhalten versucht. Um zu erreichen, dass Menschen mit den Tieren besser umgehen, muss man aber nicht mit teilweise fragwürdigen Experimenten erst zu beweisen versuchen, dass sie auch intelligent sind und Bewusstsein haben. Denn was würde das helfen? Der Mensch hat auch keine Skrupel gehabt, Millionen von Menschen industriell zu töten, nur weil sie einer bestimmten Volksgruppe angehörten. Wenn er schon damit keine Probleme gehabt hat, wieso sollte er bei Tieren, die nicht annähernd an seine Intelligenz heranreichen, damit aufhören, sie weiter nur als Objekte zu sehen und zu behandeln? Eine diesbezügliche Verhaltensänderung kann ich mir nur vorstellen, wenn Menschen für Tiere Mitleid empfänden. Nebenbei: Das würde sie auch zu besseren Menschen machen.

Die Einzigartigkeit des Menschen in Frage zu stellen, indem Tieren Intelligenz, Bewusstsein und Empathie attestiert wird, verfehlt die wirkliche Einzigartigkeit des Menschen in zweierlei Hinsicht: dass der Mensch sehr wahrscheinlich das einzige Wesen ist, das ein Bewusstsein seiner selbst entwickelt, was nicht zwangsläufig zu einer hierarchischen Bewertung von Mensch und Tier führen muss, zum anderen − und das ist ein negatives Alleinstellungsmerkmal −, dass Tiere jedenfalls niemals andere Arten von Tieren systematisch töten. Das hat bisher nur der Mensch geschafft. Vielleicht weil seine kognitiven Fähigkeiten diejenigen von Tieren qualitativ doch weit übertreffen?

© Kurt Frech