In Kafkas Erzählung „Das Urteil“ geht es um Georg Bendemann, einen jungen Kaufmann, und dessen alten Vater, deren Verhältnis durch einen entfremdenden Konflikt bestimmt ist, der im Laufe der Geschichte an Schärfe zunimmt und in ein Todesurteil des Vaters über den Sohn mündet, das dieser umgehend vollstreckt.
Die Geschichte fängt damit an, dass Georg Bendemann einen Brief an einen in Russland lebenden Freund geschrieben hat und danach darüber nachzudenken beginnt. Vor allem ist sich Georg Bendemann nicht sicher gewesen, ob er dem Freund in dem Brief auch von seinen Heiratsabsichten schreiben sollte, denn dieser lebt als Junggeselle mit nur wenigen sozialen Kontakten und nicht gerade unter komfortablen Bedingungen, da er als Geschäftsmann gescheitert ist. Als Kontrast dazu erfährt der Leser, wie Georg Bendemann das Geschäft seines Vaters wegen dessen fortgeschrittenen Alters übernommen und sehr erfolgreich weiterentwickelt und nun sich auch zu einer Heirat entschlossen hat. Doch all diese positiven Entwicklungen in seinem Leben hat er bei seinen spärlichen Briefkontakten über all die Jahre seinem Freund aus Rücksicht nicht mitgeteilt außer der aktuellen Absicht, dass er demnächst heiraten werde.
Der junge Bendemann möchte nun diesen Brief seinem Vater zeigen, bevor er ihn wegschickt, weshalb er ihn in dessen Zimmer aufsucht. Doch bevor er auf seinen Brief zu sprechen kommt, macht sich Georg Gedanken über das dunkle Zimmer seines Vaters in der gemeinsamen Wohnung, was er mit einer kurzen Bemerkung anspricht. Den Vater scheint dieses Thema aber kaum zu interessieren, so dass sein Sohn auf den Brief zu sprechen kommt und die darin sich findende Mitteilung über die geplante Heirat. Nachdem sein Vater diese Neuigkeit aufgenommen hat, stellt er Georg in fordernder, fast aggressiver Weise Fragen zum Brief und dessen Empfänger und macht ihm Vorwürfe im Zusammenhang mit der Führung des Geschäfts, bis er ihn schließlich fragt, ob dieser Freund in Russland tatsächlich existiere. Georg versucht zunächst dem Angriff des Vaters auszuweichen, indem er Verbesserungsvorschläge im Hinblick auf dessen Wohnsituation macht und ihm versichert, wie sehr er ihn wertschätze. Doch den Vater interessiert das alles nicht, statt dessen sagt er ihm auf den Kopf zu, dass der Freund in Russland gar nicht existiere.
Doch diesen Vorwurf der Lüge kontert Georg ruhig mit seiner Bemerkung, dass er diesen Freund selbst schon kennengelernt habe. Währenddessen entkleidet er seinen Vater und trägt ihn ins Bett. Dabei fällt ihm die nicht mehr reinliche Kleidung auf und er macht sich Vorwürfe, dass er ihn vernachlässigt habe, weshalb er für sich beschließt, nach seiner Heirat den Vater in eine neue Wohnung mitzunehmen.
Nachdem Georg den Vater ins Bett gebracht hat, zieht er noch an der Bettdecke, damit sie überall den Körper des Vaters bedeckt. Der wiederum fragt seinen Sohn zweimal, ob er gut zugedeckt sei, was dieser jeweils bejaht. Beim zweiten Ja reißt der Vater jäh die Decke zurück und springt umgehend aus dem Bett hoch in eine aufrechte Position. Dann beginnt dieser seinen Sohn mit unzähligen Angriffen auf das Übelste zu beschimpfen, sagt ihm auch, dass er seinen Freund gut kenne, den er gern als seinen Lieblingssohn gehabt hätte. Weiter klagt er seinen Sohn an in seiner Rolle als Geschäftspartner, und er versichert ihm, dass es ihm nicht gelingen werde, ihn unterzukriegen. Als Letztes wirf er ihm seine geplante Heirat vor, wobei er sowohl seinen Sohn als auch seine Verlobte beleidigt. Dabei wirkt der Vater sehr zufrieden.
Er gibt sich mit diesen Angriffen aber immer noch nicht zufrieden, sondern startet weitere, in denen er sich über die Behandlung durch seinen Sohn beklagt und ihm versichert, dass er gegenüber ihm immer noch der Stärkere sei. Seinem Sohn gelingt es indes nicht, dem Vater Kontra zu geben, was sich in dem gegen den Vater gerichteten geheimen Wunsch, dieser möge fallen und zerschmettern, ausdrückt. Mit dem Ausruf „Komödiant“ und durch ein Auslachen sieht sich Georg nur zu einem abgemilderten Widerspruch imstande.
Der Konflikt zwischen Vater und Sohn gipfelt in der ambivalenten Zuschreibung des Vaters, dieser sei ein unschuldiges Kind, aber eigentlich ein teuflischer Mensch, und er lässt ihn deshalb wissen, dass er ihn zum Tode durch Ertrinken verurteile. Georg Bendemann ist so geschockt durch das Urteil seines Vaters, der hinter ihm aufs Bett stürzt, dass er die Wohnung umgehend verlässt in Richtung des Wassers, wo er sich, unter einem leisen Ruf, dass er die Eltern doch immer geliebt habe, hineingleiten lässt.