Kinder können mit ihr noch nichts anfangen, aber auch vielen Erwachsenen bereitet sie Probleme: die Ironie. Wegen ihrer doppelbödigen Bedeutung ist sie nicht unbedingt für jedermann sofort erkennbar und verständlich − ein Grund, weshalb manche Menschen sich gern ihrer bedienen, um andere Menschen sprachlich bloßzustellen und sie so im schlimmsten Fall der Lächerlichkeit preiszugeben.
Der Philosophieprofessor Gernot Böhme bescheinigt der Ironie daher auch ein aggressives Moment. Um so überraschender mag da die These erscheinen, dass von der Ironie auch eine humanisierende Wirkung ausgehe. Tatsächlich besitzt die Ironie neben ihrer rhetorischen Funktion auch ein philosophisches Vermögen, das sie dem griechischen Philosophen Sokrates verdankt. Mit dem ihm zugeschriebenen Ausspruch „Ich weiß, dass ich nichts weiß" hat er nicht nur eine ironische Formulierung par excellence geliefert, sondern auch dafür gesorgt, dass Ironie bis heute philosophisch ein Thema geblieben ist.
Sokrates, ein Freund und Meister des öffentlichen philosophischen Streitens, pflegte mit seinen sophistischen Gesprächspartnern, die sich ihres Wissens allzu sicher waren, über Gott und die Welt zu diskutieren, sich dabei unwissend zu stellen und durch Fragen sie allerdings so in die Enge zu treiben, dass sie schließlich ihre tatsächliche Unwissenheit zugeben mussten. Doch Sokrates trieb dabei nicht allein die pure Lust an der ironischen Verstellung. Seine Ironie ist mehr als nur rhetorisches Mittel zum Zweck der lustvollen Täuschung oder Bloßstellung anderer. Bei ihm ist sie philosophisch gehaltvoll, mehr noch: Sie verkörpert eine philosophische Haltung. Als „Überlegenheit im Schein der Unterlegenheit“ (Gernot Böhme) dient die Sokratische Ironie einem höheren Zweck, wenn nicht dem höchsten: der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit.
Doch diese Suche ist nicht ohne Paradoxie. Denn Sokrates' Bekenntnis scheint ja geradezu ein positives Wissen grundsätzlich in Frage zu stellen. Tatsächlich hat sich Sokrates immer als unwissend bezeichnet. So gesehen wäre sein Bekenntnis gar nicht ironisch gemeint. Andererseits zeigt sein geschicktes Fragen, dass er wirklich mehr weiß als seine Gesprächspartner, die so tun, als ob sie alles wüssten. Aber vor allem weiß Sokrates ja etwas ganz sicher: dass er nichts weiß. In diesem Wissen des Nichtwissens, das heißt in der „Reflexion auf die Begrenztheit" des eigenen Wissens (R. Bubner), liegt die eigentliche, die philosophische Bedeutung der Sokratischen Ironie; oder auch darin, dass hier das Wissen des Nichtwissens zur Voraussetzung der Wissensbildung erklärt wird. So hat es der dänische Philosoph Sören Kierkegaard in seiner an Sokrates anknüpfenden Dissertation „Über den Begriff der Ironie" ausgedrückt – und damit seinem Lehrer Hegel widersprochen, der die Sokratische Ironie nur als Methode der Verunsicherung des angeblich Wissenden begriffen und dessen Versicherung, nichts zu wissen, als gänzlich unironische Feststellung verstanden wissen wollte. Denn für Hegel, den Philosophen des systematischen Wissens, war Sokrates tatsächlich unwissend, weil er keine Wissenschaft betrieben hat.
Dennoch ist Hegel das Entscheidende an Sokrates' Diskursstil, wie man heute sagen würde, nicht entgangen: die Lehre, dass, was den Menschen als wahr und richtig gelte, sie aus ihrem eigenen Inneren durch Nachdenken schöpfen und überprüfen müssten. In der Tat: So ironisch gebrochen Sokrates sein Verhältnis zur Wahrheit beschrieben hat, so ganz unironisch zeigt sich darin das Selbstbewusstsein eines Mannes, der es wagte, gegen die von Göttern beherrschte antike Ordnung, in der das Religiöse unbedingte Gültigkeit besaß, aufzubegehren. Es zeugte von einem gleichermaßen epochalen wie revolutionären Geist, darauf zu bestehen, dass Geltungsansprüche der Überprüfung durch den eigenen Verstand bedürfen, um allgemein anerkannt zu werden. Für diese Anmaßung wurde Sokrates von den juristischen Statthaltern der Macht zum Tode verurteilt. Hegel nennt ihn deshalb auch eine „welthistorische Person", die als Verfechter des Subjektivitätsprinzips zu ihrer Zeit notwendig, das heißt tragisch scheitern musste.