Die zweite Sendung des „Philosophischen Quartetts" über Nutzen und Nachteil des Skandals begann am Dienstagabend erst kurz vor zwölf Uhr – fast schon selbst ein medialer Skandal. Doch das Thema hatte mehr Substanz.
Es ging um Skandale, wie sie etwa durch die Paulskirchenrede des Schriftstellers Martin Walser 1998 über das rituelle Erinnern des Holocausts, das Elmauer Referat Peter Sloterdjiks über Menschenzüchtung oder Philipp Jenningers im Bundestag gehaltene Rede zum Antisemitismus in Deutschland ausgelöst wurden. Und darum, wie sich eine hysterisch erregende Medienöffentlichkeit darauf stürzt und angesichts dieser Meinungsübermacht es keiner mehr wagt, gegen falsche Interpretationen oder bewusst falsch verstandene Auslegungen der dem Skandal zugrunde liegenden Texte seine Stimme zu erheben.
Ein wie immer wort- und gestenreich argumentierender Walser und ein wacher Moderator Sloterdjik, der diesmal präzise am Thema blieb, nahmen als Skandalbetroffene Stellung. Und Klaus von Dohnanyi, der zweite Gast in der Runde, gab den kühl distanzierten Beobachter des Skandalgeschehens, bei dem er vor allem den Mangel an Zivilcourage, die Ängstlichkeit der Deutschen vor einer offenen Diskussion beklagte. Von dieser Ängstlichkeit war bei den Diskutanten freilich nichts zu spüren. Die sehr offen geführte Diskussion schwankte zwischen der Anerkennung des Skandals als Ausdruck demokratischer Reife und der Verdammung des Skandals als medial inszenierte Vernichtung einer Person – worauf vor allem Walser mit Blick auf den Schriftstellerkollegen Peter Handke verwies. Doch für den wegen seiner Äußerungen über Serbien im deutschen Feuilleton einhellig kritisierten Handke wollte außer Walser keiner ein gutes Wort einlegen. Weil dessen proserbische Thesen wirklich ein Skandal sind?
Ohne Frage war diese Ausgabe des „Philosophischen Quartetts" eine Klasse besser als die erste. Bliebe nur noch zu wünschen, dass die Philosophie im Fernsehen wieder früher stattfinden darf.