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In diesen Tagen wird in Form von Vorträgen, Ausstellungen, Tagungen und Veranstaltungsreihen reichlich des 50. Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus der Konzentrationslager gedacht.

Vielleicht ist das zu viel des Guten, vor allem zu viel der guten Absicht, die damit verfolgt wird: aufzuklären über den millionenfachen Mord an den Juden, für den Auschwitz zum Symbol wurde, und das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass sich solche Verbrechen nicht wiederholen können.  

So sehr diese Absicht zu begrüßen ist, so mehren sich doch die Zweifel darüber, ob die Form solcher Veranstaltungen des Erinnerns und Gedenkens noch zweckmäßig sind, wenn sie es je waren. Denn ihr ritueller Charakter ist nicht zu übersehen. Er aber ist es, der verhindert, dass damit auch die sich angesprochen fühlen, die dringend der Aufklärung über dieses beispiellose Verbrechen der Nazis bedürfen: die jungen Menschen. Aufklärung war noch nie ein einfaches Geschäft, auch wenn Kants einfache Definition dies nahezulegen scheint. Um so mehr sperrt sich ihr ein Thema wie Auschwitz, über das die einen am liebsten gar nichts mehr hören wollen, die anderen dafür gar nicht genug hören können. Beide Reaktionen indes werden der Sache nicht gerecht: Denn das Schweigen führt unweigerlich in die Vergessenheit dessen, was nicht vergessen werden darf; aber auch das Insistieren darauf ist nicht unbedingt von Erfolg gekrönt; eher bewirkt es Überdruss und das Bedürfnis, sich aus der Umklammerung des Aufklärungsdiktats zu lösen.

Denn als ein Diktat mögen es nicht nur Jugendliche empfinden, bei jeder sich bietenden Gelegenheit daran erinnert zu werden, dass sie Teil eines Volkes sind, das sich eines beispiellosen Verbrechens an einem anderen Volk schuldig gemacht hat. Dass die Schuldfrage so eindeutig ist, macht die Auseinandersetzung mit ihr so schwer, lässt die Aktoren in ein Dilemma geraten. Jeder Deutsche, ob glücklich nachgeboren oder nicht, ob direkt in die Schuld verstrickt oder indirekt über seine pure Volkszugehörigkeit, sieht sich ob der Maßlosigkeit der nationalsozialistischen Verbrechen und der weltweiten Anklagen immer schon in der Position dessen, von dem Erklärungen und nicht selten auch Entschuldigungen erwartet werden. Wie soll er da ein distanziert-rationales Verhältnis zum Holocaust entwickeln können?  Soll er es überhaupt? Er muss es sogar.

Kurt Frech